Wie die USA ihren Jugendlichen Wissen über Sexualität verweigert und wie sich die Menschen dagegen wehren
Abstinence-only macht sich bemerkbar: In den Südstaaten sind die Schwangerschaftsraten
besonders hoch. © Rebecca Döllner
Was zunächst so gar nicht zusammenpassen will, wird von den USA erfolgreich praktiziert. Einerseits machen sie mit der Porno-Industrie jedes Jahr viele Milliarden Dollar Umsatz, andererseits versucht die calvinistisch-puritanisch geprägte konservative Gesellschaft, Jugendliche vor der „moralisch verwerflichen“ Sexualität zu schützen.
So wird den Heranwachsenden an Schulen in 26 von 50 Staaten sexuelle Abstinenz als „Verhütungsmittel“ Nr.1 vermittelt, eigentlicher Aufklärungsunterricht bleibt auf der Strecke. In vielen dieser 26 Staaten wird dieses Konzept bis auf die Spitze getrieben – ihr Motto lautet „Abstinence-only“.
Das Konzept
Die Lehrinhalte von Abstinence-only wurden von der Social Security Administration („Behörde für soziale Sicherheit“) festgelegt. Kernpunkt bildet die Vermittlung sexueller Abstinenz. Sie sei der einzig wirksame Schutz gegen Schwangerschaft und die alleinig vertretbare Lebensführung vor der Ehe. Weiterhin führe außereheliche sexuelle Erfahrung zu schwerwiegenden seelischen Problemen. Richtige Verhütungsmittel werden meist nicht erwähnt. Stattdessen wird in den Lehrbüchern Information nicht nur vorenthalten, sondern auch Falsches vermittelt. So schreiben einige Autoren, dass Kondome weder ein geeigneter Schutz gegen Geschlechtskrankheiten noch gegen Schwangerschaften wären, oder dass HIV über Schweiß und Tränen übertragen werden könne.
Alternative Aufklärungskonzepte auf dem Vormarsch
Doch es rumort in den Staaten. Die Anzahl der Gegner von Abstinence-only wächst und sie finden Wege, den Jugendlichen Zugang zu dem ihnen vom Staat unzugänglich gemachten Wissen zu gewähren. Hier und da beginnen Krankenhäuser und Universitäten, Websites einzurichten, auf denen sich die Jugendlichen durch eine Art Fragenkatalog klicken und so Antworten auf ihre Fragen finden können. Doch auch diese Lösung ist nicht optimal. Zu unpersönlich sind die Antworten, auf individuelle Probleme kann nicht eingegangen werden.
Ein neues Konzept aus North Carolina dagegen klingt vielversprechend: Die BrdsNBZ-Hotline (lies: „Birds and Bees“) betreibt Aufklärung per SMS. Die Beratung ist anonym, gleichzeitig aber persönlich. Die Jugendlichen schreiben ihre Frage einfach per SMS an die entsprechende Nummer und erhalten innerhalb von 24h die Antwort eines ausgebildeten Sexualpädagogen. Die Mitarbeiter beantworten Fragen zu den Themen Sex, Beziehungen, den Körper und Verhütung bzw. Schutz vor Krankheiten. Von medizinischen Diagnosen oder kritischen Themen wie etwa Abtreibung distanziert sich die Agentur laut eigener Aussage jedoch ausdrücklich. Stattdessen verweisen die Mitarbeiter in diesem Fall auf lokale Fachleute. Freilich ist die Kritik groß. Dem Staat und den Eltern fehle die Übersicht und Kontrolle darüber, welche Fragen gestellt bzw. beantwortet werden. Doch die Idee der BRDSNBZ-Hotline findet zunehmend Zuspruch. So werden bereits ähnliche Modelle, welche nach dem Vorbild in North Carolina konzipiert sind, in South Carolina, Texas und Maryland erfolgreich angewandt.
Jugendschwangerschaftsraten im Vergleich
Der Bedarf nach weiteren derartig innovativen Konzepten scheint groß, ist die Schwangerschaftsrate von Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren doch sogar in New Hampshire (33 Schwangerschaften pro 1000 Mädchen), dem Staat mit der geringsten Jugendschwangerschaftsrate in den USA, mehr als doppelt so hoch als in Deutschland (16 pro 1000). Die Anzahl der Jugendschwangerschaften in New Mexico entspricht sogar fast dem sechsfachen Wert (93 pro 1000). Auffällig ist hierbei, dass in vier der fünf Staaten mit den meisten Jugendschwangerschaften (siehe Tabelle links) an Schulen entweder nach dem Prinzip Abstinence-only unterrichtet wird oder überhaupt keine Stunden zum Thema Aufklärung gehalten werden.
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